Rezension: Geschlossene Räume

Seit geraumer Zeit stapeln sich bei mir Bücher und auch Rezensionen zu den gelesenen Werken. Ich komme kaum nach den Pile of shame zu verkleinern, mehr noch wird er immer größer weil meine Sucht und der Sammeltrieb mir nahelegen zuzugreifen. Ich habe mir nun ein Herz gefasst und kümmere mich doch wieder um die Verminderung jenes Haufen: Geschlossene Räume…

Die Fakten

70 Seiten

Preis: 10,00 €  //  Preis pro Seite: 14 Cent

Erschienen: Februar 2021

Autor: Heiner Jöhrs, Benjamin Ramisch

Geschlossene Räume

Der Titel des Buches trifft es doch sehr gut. Es handelt sich dabei um zwei voneinander unabhängige Abenteuer, die in verschiedenen Epochen spielen. Dabei ist jedes für sich recht gradlinig, es gibt wenige Spielräume für Abweichungen vom vorgegebenen Pfad bzw Ausbrüche aus jenem geschlossenen Raum. Nun mag ich hier nicht die Diskussion führen ob Sandbox oder Railroad das bessere Abenteuer ausmacht, doch handelt es sich bei Beidem um Letzteres.

Le tri madri

Just beim Lesen des Titels dachte ich sofort an das Abenteuer, welches ich vor kurzem als Actual Play Podcast veröffentlicht habe. Leider hat es mit der Hexe Baba Jaga und dem Avatar der Shub Niggurath wenig gemein – doch was noch ist, kann ja noch werden! Die Ermittler nehmen die Rollen von Kunstexperten auf verschiedenen Gebieten ein und bekommen nach dem Erstellen der Charakterwerte noch einen Hintergrund ausgewürfelt. Dieser macht die Investigatoren mal wieder sehr einzigartig und zugeschnitten auf das Abenteuer, was mir super gefällt. Auch schon bei Schreie und Flüstern wurden den beiden Polizistinnen eine persönliche Geschichte verpasst. Diese hat den Plot und Gespräche maßgeblich beeinflusst.

Die drei Mütter der Schmerzen

Die Charaktere sollen als Experten eine neue Ausstellung beurteilen, welche im Keller eines Herrenhauses aufgebaut wurde. Die Kuratorin wünscht nach einem kurzen Gespräch zu Beginn viel Spaß und freut sich auf ein Feedback am Ende. Damit geht es los und die Künstler werden in einen Rausch gesogen aus dem es kein Entrinnen gibt.

Spielen oder nicht?

Das Abenteuer hat viele Hintergrundinformationen rund um die drei Mütter in verschiedensten Kulturen. So sind den Germanen die drei Seherinnen Urd, Verdandi und Skuld bekannt. Die Griechen haben ebenso eine Vision der Drei, welche teilweise durch den Disney-Film Herkules breite Bekanntheit erlangt haben. Moiren und Parzen oder auch die indischen Variante werden vorgestellt und so in Szene gesetzt. Ich muss aber leider sagen, dass vor dem eigentlichen Abenteuer noch Hinweise zur Interpretation des Geschriebenen gibt, welche an der Stelle aber nur verwirrend sind. Ich kannte zu dem Zeitpunkt den Ablauf und die NPCs noch nicht, weshalb ich nur Fragezeichen vor dem geistigen Auge sah und nicht wusste, was der Autor von mir will. Habt ihr diese Passage aber gelesen oder übersprungen, dann folgt der Ablauf und alles wird klar. Wer seine oder ihre Gruppe also überzeugen kann von einem guten Railroad der sollte spielen.

Zwanzig Räume

Was einmal geht, das geht auch ein weiteres Mal? Mich kann das Abenteuer nur mäßig motivieren. Alles wirkt auf mich so wie Die schreckliche Welt des Paul Wegner Teil 2. Falls ihr den Klassiker der deutschen Cthulhu-Szene noch nicht kennt, dann könnt ihr bei Pegasus auch in das Werk hineinschauen. Die Investigatoren werden von einem Bösewicht (mit etwas Hintergrundgeschichte zu seinem Treiben) in d ie Traumwelt geschickt und spielen dort Täglich grüßt das Murmeltier. Solche Plots können sehr erheiternd sein, mögen aber auch rasch zu Frust führen. Es gibt eine Tabelle was beim Tod passiert, diese fällt aber bis auf zwei Ausnahmen ziemlich langweilig aus. Hinweis an die Spielleiterin: Lasst doch mal zwei Spielercharaktere gleichzeitig sterben…

Mist, schon wieder tot

In der Traumwelt angekommen, stehen dem Spielleiter alles Möglichkeiten für den persönlichen Horror offen. Blut, Maden, Einsamkeit und vieles mehr erzeugt Spannung. Zu Beginn des Szenarios erklärt der Autor die Logik der Welt, doch hält er sich später leider selbst nicht daran. So sind all die Bewohner im Jenseits auch in der echten Welt ins Koma gefallen und unterschiedlich lange hier, doch dann gibt es wieder zahlreiche NPCs anzutreffen, welche der eigentlich leeren Welt zu viel Leben einhauchen.

Als Hilfestellung werden zwei verschiedene Bewohner beschrieben. Der eine ist schwach, da er schon länger in dieser Dimension lebt und häufiger gestorben ist. Der andere ist relativ stark, da er entweder seltener gestorben ist oder dabei nur geistig geschwächt wurde. […] Zu beachten ist, dass alle Personen in dieser Dimension schon häufiger gestorben sind […].

Sei es drum: Einige Szenen sind wirklich cool – ich empfehle den Spielerinnen und Spieler den Besuch in der örtlichen Bibliothek oder der Feuerwehr. Lasst doch ein paar Häuser brennen! Die Hintergründe der Geschichte werden nun nach und nach offenbart. Auch hier gibt es Brüche mit der Logik der Welt. Der Autor versucht seine Geschichte zu erzählen, die Spieler dürfen dabei zusehen. Für einen Roman mag das taugen, doch ich glaube, dass ein Pen and Paper Rollenspiel andere Maßstäbe an das Erleben setzen sollte. Zudem werden Internet-Memes eingestreut wie ein Bärenkatapult, was aber dermaßen unmotiviert platziert ist, dass es nicht mal für einen Lacher gut ist.

Bärenkatapult ho

Am Ende des Tages stehen die Charaktere vor dem Ziel. Es gibt keinen richtigen Grund, dass sie den Ort aufsuchen, sie kommen einfach dort hin. Sie entschlüsseln nach und nach ein Minispiel und können den geschlossenen Raum hoffentlich hinter sich lassen. Ich bin unvoreingenommen an das Szenario herangegangen, doch relativ schnell hat sich meine Meinung verfestigt. Für mich ist es nichts. Das Abenteuer hat nette Ideen, doch es wurde nicht in den richtigen Guss gebracht, sodass es so im Raum stehen bleiben muss. Als Steinbruch für andere Ideen eignet es sich aber gut und so spreche ich trotzdem eine Empfehlung aus. Baut es um, traut euch ein eigenes Ding draus zu basteln und dann kann es wirklich cool werden.

Kritik: Geschlossene Räume

Wie bei allem was Pegasus für Cthulhu schreibt, kann man bedenkenlos zugreifen. Der Preis bzw. Preis/Leistung sucht seines Gleichen auf dem deutschen Markt und so ist eigentlich jedes Buch sein Geld wert. Tri Madre ist die Wucht in Tüten (verknüpft es doch am besten noch mit der Baba Jaga!), 20 Räume ist eine nette Szenensammlung. Geschlossene Räume bekommt die 17 von 20 Punkten insgesamt…

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