Rezension: Kult Divinity Lost

Kult. Wie kein anderes Spiel in den letzten Jahren hat mich Kult nachträglich gefesselt. Es löst bei mir Emotionen aus, die ich zuvor nicht kannte. Rollenspielen wie Cthulhu wird immer mein Herz gehören, doch die neue Version von Helmgast und Truantspiele lässt mich kribbeln, erschauern und vergessen zu atmen.

Die Fakten

386 Seiten

Preis: 60,00 €  //  Preis pro Seite: 16 Cent

Erschienen: November 2021

Autor: Robin Liljenberg + Petter Nallo

Ein Schatten legt sich über Deutschland

Bereits die englische Ausgabe fand seinen Weg in meine Archive, doch als Mario Truant bekannt gab, dass er wie damals in den frühen neunziger Jahren erneut übersetzen wird, war mir klar, dass ich Kickstarten muss.  Nun sind das Grundregelwerk und zwei fette Bände mit Abenteuern da. Die schwarze Madonna als Kampagne in Hamburg und eine Anthologie der besten Sachen im Buch Taroticum. Ich habe das Grundregelwerk gelesen und rezensiere.

Verwirrung

Das Grundregelwerk beginnt mit der Charaktererschaffung. Ihr wählt euch einen der Archetypen aus, die generisch formuliert worden sind, sodass ihr ihm noch genug Leben einhauchen könnt. So wird aus dem Konzept „Karrieremensch“ eventuell ein Politiker, ein Vertreter oder ein Firmenboss. Der „Kriminelle“ kann ein zwielichtiger Clubbesitzer, ein korrupter Bulle oder ein schmieriger Dealer werden. Ihr wählt aus verschiedenen Vor- und Nachteilen oder baut selbst welche. Gemeinsam mit eurem Spielleiter entwickelt ihr Beziehungen zu den anderen Charakteren und Storyaufhänger um euch zu verankern. Das Spielleiterkapitel ist wie immer obligatorisch dabei und berichtet dem Neuling, wie er oder sie die Geschichte aufbaut.

Schleierspiele

Dann wird es zunehmen wild. Ich habe nicht nur Probleme beim ersten Lesen des Buches sondern auch beim Schreiben der Rezension, denn ich werde trotz des Inhaltsverzeichnis nicht schlau aus der Strukturierung. Kult berichtet uns danach von der Spielwelt. Der Schleier in unserer Welt, das Gefängnis, welches für uns geschaffen wurde. Die Wahrheit hinter dem Schleier und dem Wahnsinn, der uns packt, wenn wir zu tief eintauchen. Dabei benutzt das Buch Begriffe wie Liktor, Purgatoren und Schakale wie selbstverständlich, auch wenn sie erst wesentlich später definiert werden. Sicher weiß ich was ein Engel im klassischen Sinn ist, doch diese Monster haben mit den Wesen aus der Bibel nichts gemein. Nun folgt erneut ein Kapitel für den Spielleiter: Wie baue ich ein Beziehungsdrama auf und Verflechte alles ineinander? Was passiert, wenn ein Kult-Charakter stirbt und wie enden die Geschichten. Wieso steht das nicht weiter oben, beim restlichen Kapitel?

Die Wahrheit

Ein neues Oberkapitel eröffnet uns nun endlich die Wahrheit und Begriffe werden erklärt, die vorher im Raum standen. Archonten, der Demiurg und Todesengel bekommen Farbe. Kreaturen wie Liktoren und Schakale werden erklärt und bleiben gleichzeitig wage unbeschrieben? Die Illusion wird zerrissen und wir blicken in den Abgrund von Inferno, bauen an den Trümmern von Metropolis oder hocken und in eine Höhle der Gaia. Endlich begreifen wir all das, was vorher nur verschleiert war und werden wiedergeboren als Magier oder Gott. Als Erleuchteter können wir andere Charakter aus dem Schatten zerren und ihnen den Spiegel der Wirklichkeit vorhalten!

Kritik

Wie bereits oben beschrieben habe ich Probleme mit der Struktur. Die Texte vorne benutzen die Begriffe (oder soll ich Vokabeln sagen) wie selbstverständlich. Ich fühle mich als müsste ich mit kleinen Kärtchen die Unterschiede von Foltermeistern, Purgatoren der Hölle herausarbeiten. Eralim trifft auf Seraphim und die hebräischen Namen von 20 Engeln und Dämonen wollen verstanden werden. Sicher, wenn ich Das schwarze Auge zum ersten Mal aufklappe oder Cthulhu, dann werde ich auch Götter und Kulturen studieren müssen, aber mir erschließt sich trotz 6 gespielten Oneshots und einer Kampagne nicht, wer für was zuständig ist. Versteht mich nicht falsch: Ich investiere die Zeit gerne in mein Hobby und insbesondere in diese besondere Obskurität Kult, aber für einen Neueinsteiger ohne „Vorbildung“ wird das schwerlich zu schlucken sein.

Ich bin Subjektiv?

Andere Bücher sind besser strukturiert, daher muss ich der Objektivität wegen diesen Punkt bemängeln. Die Beschreibungen und Anreize, die hier aber im Buch gesetzt werden sind beeindruckend. Adjektive zieren die Bluttaten und Verwerfungen. Der Horror von Kult entfaltet sich nicht durch kosmisches Grauen sondern die blanke Menschlichkeit. Die Autoren zerren das Wesen von uns ans Licht und deuten immer wieder mit dem Finger auf Verfehlungen der Gesellschaft. Konsumkritik in einen Mantel aus Schatten gehüllt und einem Gefängnisschlüssel am Gürtel. Sexsucht, Drogenmissbrauch und Zersplitterung der guten Eigenschaften werden zu Archonten erklärt. Götter der Hölle mit unmenschlichen Dienern als Pornosternchen aus dem Fernsehen oder dem Richter mit dem Hammer in der Hand… Kult schafft als Horrorspiel so viel mehr als seine Konkurrenz und ich kann es nicht mal richtig in Worte kleiden. Es geht nicht darum zu sterben oder den Verstand im Irrenhaus zu verlieren. Dies wäre erst der eigentliche Beginn deiner Reise bei Kult.

Taroticum

Kult kann man nicht beschreiben. Kult ist roh und unmenschlich und muss zur weiteren Lektüre euch die Actual Plays von uns ans Herz legen! Oakwood Heights bietet den richtigen Start für das Seltsame. Wo andere Polizisten beim Aufklären einer Straftat das Abenteuer beenden, starten wir hier bereits mit dem gefassten Mörder und blicken ihm in die Seele! Die Insel setzt auf rohe Brutalität fern ab der Zivilisation: Was tust du um zu überleben? Die Raketen drehen sich um den Machtaufstieg von Donald Trump und wie dies damals abgelaufen sein könnte.

“Ich bin erwachsen?”

Die Themen sind erwachsen und die Beschreibung sind grausam. Religion, Politik und Tabus ohne Ende… Die Bilder sind durch die Bank weg verstörend gut. Die Texte sind mit Adjektiven versehen. Ich muss aufpassen, dass ich beim Lesen des Buches weiteratme und nicht in Ohnmacht falle. Dieses Buch ist die Wucht in Tüten! Schaut doch auch bei unserem Podcast dazu rein!

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[…] als Splatterpunk und als dieses kam es 1992 durch den Truant Verlag auch auf den deutschen Markt. KULT: Divinity Lost ist ein Reboot des Horror-Rollenspiels-Klassikers, der ursprünglich 1991 veröffentlicht wurde. […]

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