Wintersturm #33- Reden wir über Zeit

Zeit im Pen and Paper: Martin blickte auf seine Initiativleiste und schob den Token ein Feld weiter. “Frosty, du bist jetzt dran.” “Hm, okay. Ich weiß noch nicht genau was ich machen möchte. Ich könnte jetzt natürlich von 30m herankommen und meine Axt benutzen oder aber ich nehm’ von hier die Armbrust. Dann haut mich aber nächste Runde der Löwe von der Seite. Ich weiß es noch nicht. Wartet mal kurz, ich muss noch was im Regelbuch nachschlagen. Geht auch schnell, versprochen…”

Zeit im Rollenspiel

Wir reden heute über Zeit. Wie sie vergeht und warum sie manchmal so langsam, dann wiederum sehr schnell ist. Ihr könnt keine richtige Geschichte erzählen, wenn ihr nicht haargenau die Zeit dokumentiert! Zumindest behauptet dies ein bekannter Autor eines bekannten Spielsystems. Wer davon abweicht, macht alles falsch und kann seine Spielrunde zerstören. Ihr habt euch also grade in die Höhle des Drachen geschlichen und wollt angreifen, aber euer Wecker bimmelt und die Uhr sagt 22.30! Morgen wieder arbeiten, also machen wir hier eine Woche Pause und spielen nächstes Mal weiter. Die Helden warten dann bitte auch in realtime eine Woche vor dem Drachen auf das Zuschlagen. Ich will hoffen, dass er schläft!

Das Gummiband…

Martin, Tobi und Torsten reden gemeinsam mit mir heute über die Zeit im Pen and Paper bzw. Rollenspiel. Abspeichern, einpacken und nächstes Mal weiterspielen war früher nicht möglich. Wir haben mittlerweile viele neue Konzepte wie die Gummiband-Zeit oder das Springen von Stunden und Wochen, wenn nichts erwähnenswertes passiert. Dauert eine Kampfrunde nun drei Sekunden oder eine Stunde? Ingame, Outgame und Metaebene werden betrachtet. 

Viel Spaß wünschen wir euch bei der Folge 33: Zeit im Rollenspiel. Falls euch die Diskussion gefällt, dann hört euch auch die anderen Podcast von uns und dem Wintersturm an. Mehr von Donnerhaus findet ihr auf ihrer Homepage.

▬ Links ▬

Besprochene Episoden der Winterstürme:  

Die Spannungskurve, Asymmetrie im Rollenspiel

Freude Schöner Götterfunken als Box

Geschichtskrümel Weihnachtsfriede

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▬ Intro / Outro ▬

Die Musik wurde mir freundlicherweise von Erdenstern zur Verfügung gestellt: Musik komponiert von Andreas Petersen

Ein Kommentar

  1. Schön, wieder von euch zu hören, und wie erwartet mit einem relevanten Thema. Zwei Anmerkungen nur dazu:

    – Bei Gygax’ Betonung von “strict time records” ist es wichtig nochmal zu betonen, dass “campaign” im ursprünglichen Sinn nicht “Abenteuerpfad” oder “lange Szenarioserie mit abgestimmtem Inhalt” bedeutete, sondern schlicht “die Spielwelt der jeweiligen Spielleitung”. In dieser war das emergente Gameplay durch die darin agierenden Gruppen damals essentieller und lange Zeit auch einziger (weil in der Frühzeit noch stark vom wargaming beeinflusste) Inhalt. Und, das habt ihr korrekterweise erwähnt, wenn man als SL mit einem Dutzend Gruppen gleichzeitig in der gleichen Spielumgebung hantiert, die durch deren jeweilige Handlungen verändert werden, geht das tatsächlich nicht sinnvoll ohne eine gut dokumentierte Chronologie. Aber was er mit Kampagne meint, ist etwas anderes als man heutzutage landläufig unter dem Begriff versteht.

    – “Figuren werden nur in Ausnahmesituationen erkennbar / charakterisiert / lebendig, am Lagerfeuer passiert nix Relevantes!” – das sehe ich anders. Wenn ich im wesentlichen Sinne rollenspielen, also Entscheidungen aus der Perspektive und mit dem Wissen und der Erfahrung der von mir geführten Figur treffen will, dann muss es mir möglich und erlaubt sein, auch die “langweiligen” Zeiten genau dafür zu nutzen, um z.B. meine Mitreisenden besser kennenzulernen.
    Folgendes eingängige Beispiel: Die Gruppe wird von den beiden “besten Schwertkämpfern der Stadt” zum Showdown mit dem Banditenkönig begleitet, die Reise geht eine ganze Woche bis man dessen Schlupfwinkel erreicht. Die SL hat sich als dramatische Wendung ausgedacht, dass die beiden in Wahrheit nur inkompetente Aufschneider sind und dadurch im Endkampf plötzlich eine neue Herausforderung entsteht (sie versagen maßlos bei ihrem Teil des Überfallplans – kann man sie noch retten? Gerade jetzt in Unterzahl?). Klassische Situation, hat so ähnlich bestimmt schon der eine oder andere mal erlebt – und äußerst unplausibel. Weil die Inkompetenz auf einer ganzen Woche Reise mit einer Gruppe (mehr oder weniger) erfahrener, auf jeden Fall aber kompetenter Haudegen herauskommen würde. Schon aus eigenem Überlebensinteresse würde mein Krieger sich mit den beiden über ihre Heldentaten und Erfahrungen unterhalten, dabei vielleicht auf inhaltliche Ungereimtheiten stoßen (etwa, wenn die beiden Unsinn über Monster fabulieren, welche den Erfahrungen der Gruppe widersprechen) und beim leisesten Verdacht, dass sie ihrer Aufgabe nicht gerecht werden könnten, Abends mal zu einem freundschaftlichen Übungskampf auffordern, wo sich natürlich sofort ihre Inkompetenz offenbaren und dies einen ganze anderen Plan erfordern würde als ursprünglich gedacht.
    Das wäre plausibel, und wäre es schlechter? Ich denke nicht – die Herausforderung wäre nur eine andere, vielleicht eher moralisch/soziale (schickt man sie allein in Schimpf und Schande zurück? Deckt man sie, damit sie ihr Ansehen nicht verlieren? Zwingt man sie, trotzdem zu kämpfen? etc.).
    Aber wenn die ursprüngliche Wendung einträte, würde das meinen Vorstellungsraum sofort kollabieren lassen, weil es unendlich unglaubwürdig wäre, dass man eine Woche zusammen reist, und nicht die relevanten Fakten, das gemeinsame Ziel betreffend, bespricht und entsprechende Schwachpunkte – als nicht völlig dumpfbackige oder taubstumme Figur – herausfindet.
    Ich behaupte, man lernt Menschen vor allem durch Zeit und eigenes Interesse, Nachfragen, auch bei Alltäglichkeiten (wie sprechen sie mit Fremden, welchen Lebensstil pflegen sie, wie behandeln sie ihre Ausrüstung, was tun sie bei Langeweile, wie lange können sie marschieren etc. etc. pp.) kennen. Das mag nicht so “spannend” sein wie so manche konstruierte Überraschung, aber es ist glaubwürdig und damit die Konsistenz der Spielwelt stützend.
    Des einen “spannend” ist des anderen “unglaubwürdig” – die Sichtweise mag je nach präferiertem Spielstil variieren, für mich wäre das aber eher nix.

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