Eigene oder fertige Abenteuer?

Ich möchte mich heute einmal dem Thema widmen, dass grade zu Beginn einer Spielleiter-Karriere viele umtreibt. Soll ich mit meiner neuen Gruppe ein eigenes Abenteuer bespielen oder denke ich mir etwas aus? Was ist einfacher zu managen, wo mache ich vielleicht etwas falsch? Bei uns geht es heute um selbst-geschriebene Abenteuer.

Prämisse

Eigene Abenteuer leiten klingt für Anfänger Spielleiter eigentlich immer sehr reizvoll. Es wird angenommen, dass mit den eigenen Ideen unglaublich viel erschafft werden kann. Ich denke die meiste Furcht ein “offizielles” Szenario zu leiten besteht darin, dass etwas falsch gemacht werden könnte. Das ein Spieler sagt: “Ich kenne das schon, du hast einen Fehler gemacht”.

Da ich auf der Drachenzwinge viel Umgang auch mit neuen Spielleitern habe und ihnen dort helfe, höre ich solche Argumente oft. Bei einem eigenen Abenteuer kann der Spielleitung so etwas nicht vorgeworfen werden. Ja, das mag stimmen, so ein Kritikpunkt kann nicht kommen, dafür viele weitere…

“Ich will mal was testen”

Ich habe in meiner Anfangszeit viel mit Monstern und Dämonen gearbeitet, weil sie in den Arsenalen und Bibliotheken cool beschrieben worden sind. Vielleicht wolltet ihr ja auch epische Szenen schreiben und diese euren Spielern vorstellen? Viele denken so, und daher wurde auch viel austauschbares geleitet. Wie oft habe ich schon das Gefängnis gehört, alle Gegenstände fehlen und ihr wacht gefesselt auf. Ein Klassiker. Bei erfahrenen Spielern allerdings mitleidig belächelt und schon tausendfach gesehen, nichts was mehr schocken könnte. Die Monster im Dungeon oder Kerkerwächter sind dann auch noch unverhältnismäßig stark, es kommt zu der Langeweile zusätzlich der Frust-Aspekt.

Noch mehr Fehler

Tavernenabende, bei denen der Wirt alle 30 Minuten mal ein neues Bier und Eintopf auf den Tisch stellt sind ebenso nicht originell oder gar als Spielleiten zu klassifizieren. Kommt nach 3 Stunden immer noch kein Plot obwohl er groß angekündigt wurde, dann bin ich sehr schnell genervt. Und ja: solche Abende hatte ich schon. Vor allem wenn dann danach auch noch Spezielle Erfahrungen und Erfahrungspunkte verteilt werden. Solltet ihr wirklich vor haben nur zu Fluffen, dann kündigt dies bitte an und sprecht nicht im Vorfeld von “Ich spielleite etwas…”. Solche Elemente können sicherlich ziemlich erheiternd sein, benötigen aber keine Moderation oder Vorbereitung.

Wie behelfe ich mir trotz Minenfeld?

Wieso rate ich nun zum Leiten von möglichst vielen offiziellen Abenteuern? Am Schönsten finde ich es, wenn nach zwei oder auch fünf Jahren langer Kampagne die Spieler auch mal mit jemand Anderem ins Gespräch kommt. Diese oder dieser hat dann selbiges Abenteuer gespielt oder geleitet hat, ihr könnt euch über Charaktere austauschen oder fragen, wie ihr euch an Stelle XY im Szenario verhalten habt und wie Rätsel Z gelöst wurde. Es gibt kaum ein schöneres Gefühl im gemeinsamen Gespräch und verschiedenen Runden. Wenn solche Szenen dann wiedererkannt werden und ihr euch eben über gleiche Inhalte unterhalten könnt, dann stimmt sofort die Chemie und man schwelgt in Erinnerungen.

Mit freien ausgedachten Abenteuern ist das schlicht nicht möglich. Niemand wird fragen, wie was abgelaufen ist, weil keine Vergleichswerte da sind. Zwar kann man fragen, was grob erlebt wurde, aber danach ist auch Schluss. Vielleicht wird etwas skeptisch genickt.

In offiziellen Abenteuern stehen zudem Regeln bei Gegnern, die benutzt werden können. Das Vereinfacht vieles und spart Recherche. Sollte der Plot gesprengt werden, nicht verzweifeln, so es so nehmen wie es kommt.  Grade bei den eigenen Abenteuern wollen viele starr ihre Idee vorstellen und denken nicht mal daran, dass Spieler anders handeln könnten, sind dann total überfordert, wenn dies doch passiert, weil nur entlang Gleisen konzipiert wurde. 

Eigene Ortschaften

Ein Problem was ich auch oft erkenne, sind eigene Städte oder Dörfer. Aus Angst etwas falsch zu beschreiben, baut man sich eigene kleine Orte. An sich ganz interessant, aber abseits von Beyond the Wall oder dem Häuserbau von Game of Thrones werden viele NPCs sehr blass bleiben. Alle Jäger, Schmiede und Gastwirte sind stereotype, haben keine eigene Hintergrundgeschichte. Sie wischen gelangweilt mit einem Lappen auf dem Tisch oder halten eine glühende Eisenstange ins Wasser. Wähle ich offizielle Abenteuer und offizielle Städte, dann haben die Spielercharaktere ein klar erkanntes Ziel, klar erkannte NPCs mit denen sie interagieren und stochern nicht leer im Raum. Die geneigte Spielleitung wird vielleicht das erste und eventuell das zweite Dorf liebevoll ausgestalten, aber wenn auf einer Reise die fünfte Stadt angelaufen wird, dann ist spätestens eine Müdigkeit beim Vorbereiten zu erkennen. Ich rate daher unbedingt und erneut zu offiziellem Material, sollte etwas existieren.

Das ist kein Roman

Pen&Paper Rollenspiele heben sich stark von anderen Rollenspielen ab, weil eben kein Roman  nacherzählt wird, bei dem der Protagonist eben auf dem Pfad bleibt, den der Autor vorsieht. Die Freiheit, das Sprengen der Ketten ist das, was uns antreibt. Es mag etwas mehr Arbeit sein sich etwas anzulesen und zu verstehen, so wiederzugeben, aber es lohnt sich. Es wäre alternativ wesentlich mehr Arbeit, wenn ihr euch ähnlich viel Mühe macht wie ein Autor, der 60 oder 120 Seiten Plot geschrieben hat.

Selbst wenn dieser Schwächen hat, dann ändert diese nach eigenem Belieben und nehmt diesen Plot als Steinbruch für eine noch bessere Kampagne, die euch gefällt! Bevor ihr Angst habt vor dem “falschen Leiten” einer offiziellen Publikation, solltet ihr euch als Neuanfänger überlegen, ob ihr auch Improvisieren könnt, wenn euer erdachter Plot gesprengt wird.

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